Von den in § 369 Abs. 1 AO genannten Steuerstraftaten ist die Steuerhinterziehung des § 370 AO der zentrale Tatbestand des Steuerstrafrechts. Die Steuerhinterziehung ist als Blankettnorm ausgestaltet, die durch das materielle Steuerrecht ausgefüllt wird. Somit verknüpft das Steuerstrafrecht die Normen des Strafrechts mit denen im Steuerrecht.
Geschütztes Rechtsgut des § 370 Abs. 1 AO ist das öffentliche Interesse des Staates am vollständigen und rechtzeitigen Steueraufkommen.1 Folglich erfasst der Tatbestand nicht nur die Richtigkeit, sondern auch die Rechtzeitigkeit der Steuererklärung.
Tatbestand der Steuerhinterziehung
Nach dem Wortlaut des § 370 AO wird bestraft, wer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben macht, diese entgegen seiner Verpflichtung unterlässt oder Steuerzeichen („Steuerstempler“) nicht verwendet und dadurch Steuern verkürzt oder einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt. Die Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt („dadurch“). Kommt es nicht zu einer Steuerverkürzung, liegt demzufolge auch keine strafbare Handlung vor. Das Kompensationsverbot führt indes dazu, dass eine Steuer auch dann als verkürzt gilt, wenn sie aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil beansprucht hätte werden können.
„Angaben machen“
„Angaben machen“ ist die Tathandlung, die als erste Handlungsoption in Abs. 1 Nr. 1 genannt ist. Sie kann als ausdrückliche Erklärung oder als konkludente Handlung ausgestaltet sein, sofern bei dem Erklärungsempfänger eine Vorstellung über bestimmte Tatsachen entsteht. Sie ist auch auf elektronischem Weg möglich. Es bedarf hier auch keiner der Unterschrift, lediglich muss der Erklärende erkennbar sein. Da die Steuererklärung längst über das Internet abgegeben wird, ist dies sogar der Regelfall. Außerdem können die Angaben auch stellvertretend durch einen Steuerberater erklärt werden.
Täuschung über steuerlich erhebliche Tatsachen
Steuerlich erheblich ist eine Tatsache, wenn sie einerseits dem Beweis zugänglich und andererseits im steuerrechtlichen Sinn für die Entstehung, die Höhe oder die Fälligkeit von Steueransprüchen von Bedeutung ist.
Die Täuschung der Finanzbehörden erfordert entweder ein aktives Tun, also die Abgabe einer fehlerhaften Erklärung oder ein Unterlassen, also die Nichtabgabe einer gesetzlich erforderlichen Erklärung. Unrichtig ist die Steuererklärung dann, wenn die Tatsachen, die sich aus ihr ergeben, falsch sind. Sollte der Steuerpflichtige erst im Nachhinein erkennen, dass seine in bisher nicht verjährtem Zeitraum abgegebene Steuererklärung fehlerhaft ist, verpflichtet dies ihn, diese zu korrigieren. Die Verletzung dieser Pflicht zur Korrektur stellt eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen dar.
Steuerverkürzung als Taterfolg
Der Taterfolg der Steuerhinterziehung liegt darin, dass die Steuer nicht in voller Höhe, gar nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt wurde. Die Höhe der verkürzten Steuer bemisst sich nach einem Soll-/Ist Vergleich.
Maßgeblich ist die Höhe der verkürzten Steuer vor allem für das Strafmaß.
Vorsatz und Irrtum bei der Steuerhinterziehung
Der Vorsatz, Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung muss gleichermaßen auch im Rahmen des Steuerstrafrechts vorliegen, wobei ausreicht, wenn der Täter diese für möglich und nicht ganz fernliegend hält und diese dennoch in Kauf nimmt. Zum Vorsatz der Steuerhinterziehung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ferner, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will.
Allerdings schließt ein Irrtum über eine steuerrechtliche Vorschrift oder deren Auslegung, der zu einer unrichtigen Angabe gegenüber dem Finanzamt und dadurch zu einer Steuerverkürzung führt, den Vorsatz und folglich die Bestrafung wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung aus. Die Einzelheiten sind jedoch umstritten.
Strafe für Steuerhinterziehung
Die Strafe für Steuerhinterziehung orientiert sich am Strafrahmen, hier Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, in schweren Fällen sechs Monate bis zehn Jahre. Dem Steuerschaden kommt bei der Strafzumessung maßgebliche Bedeutung zu. Soweit man die Besonderheiten der Strafzumessung außer Betracht lässt, wird es bis zu einem Steuerschaden bis 50.000 Euro noch eine Geldstrafe geben.
Für die Strafverschärfung „großes Ausmaß“ taxiert der Bundesgerichtshof die Grenze bei 50.000 Euro. Ab diesem Betrag wird eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen, wobei die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Ab einer Hinterziehung von 1.000.000 Euro soll allerdings im Regelfall eine Strafe zu verhängen sein, die nicht zur Bewährung auszusetzen ist.
Verjährung der Steuerhinterziehung
Hier unterscheidet man die steuerliche und die strafrechtliche Verjährung. Die Frist für eine Strafverfolgung regelt, wie lange man für die Steuerhinterziehung bestraft werden kann, bevor diese verjährt. Steuerhinterziehung sowie -verkürzung verjähren regelmäßig nach fünf Jahren nach Erhalt des Steuerbescheides, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Diese Frist kann jedoch dadurch unterbrochen worden sein, dass die Steuerfahndung ihre Arbeit aufgenommen hat und eine Durchsuchung oder andere Maßnahmen erfolgt sind.
Die Festsetzungsfrist im Steuerrecht legt hingegen fest, nach wie vielen Jahren für ein Kalenderjahr keine Steuererklärungen mehr abgegeben, keine Steuerbescheide erlassen oder abgeändert werden können. Die Frist beträgt bei der Steuerverkürzung fünf Jahre, hingegen bei der Steuerhinterziehung zehn Jahre. Danach ist Verjährung eingetreten.
Selbstanzeige als „goldene Brücke“
Die Selbstanzeige baut eine „goldene Brücke“ zurück in die Steuerehrlichkeit. Selbst bei vorsätzlicher und jahrelanger Steuerhinterziehung entfaltet die wirksame Selbstanzeige dennoch unter engen Voraussetzungen eine strafbefreiende Wirkung, namentlich dann, wenn die Steuerhinterziehung noch nicht durch das Finanzamt oder die Steuerfahndung entdeckt wurde. Außerdem sind die verkürzten Steuern durch die Selbstanzeige vollständig nachzuerklären und innerhalb einer bestimmten Frist nachzuzahlen.
Gern beraten wir Sie zur Erstellung und Erstattung einer wirksamen Selbstanzeige. Bitte beachten Sie, dass die Selbstanzeige nur dann wirksam ist, sofern diese vollständig den Voraussetzungen des § 371 AO genügt. Hierzu sollten Berater für Steuerstrafrecht sowie Steuerberater bzw. Anwalt (Fachanwalt) für Steuerrecht hinzugezogen werden.
Abgrenzung zum Steuerbetrug
Journalisten verwenden die Begriffe Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nicht selten synonym, dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied – zumindest in der Schweiz. Während dort der Steuerbetrug praktisch die Steigerung der Steuerhinterziehung ist, gibt es diese Unterscheidung in Deutschland nicht. Als Steuerbetrug ist in der Schweiz strafbar, wer mit der Steuererklärung gefälschte Urkunden einreicht, z.B. gefälschte Geschäftsbücher oder Lohnnachweise. Im Gegensatz zur bloßen Steuerhinterziehung, die in der Schweiz lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist der Steuerbetrug dort eine Straftat, wegen der die Schweiz auch Straftäter nach Deutschland ausliefert.
Strafverteidigung im Steuerstrafrecht
Jeder hat seine Stärken, unsere ist die Strafverteidigung – in Hamburg und bundesweit! Haben die Ermittlungsbehörden, also die Steuerfahndung oder die Staatsanwaltschaft ihre Tätigkeit erst einmal aufgenommen, steht viel auf dem Spiel. Neben empfindlichen Strafen drohen etwa auch erhebliche Steuernachzahlungen. Wir leisten Ihnen in dieser Krisensituation rechtlichen Beistand und Beratung.
Strafverteidigung ist Vertrauenssache
SCHNEIDER || MICK Rechtsanwälte Strafverteidiger PartmbB ist eine Partnerschaft der Rechtsanwälte Dr. Frédéric Schneider und Dr. Benedikt Mick mit Sitz in Hamburg und Berlin. Beide Partner sind in der Strafverteidigung wegen Steuerhinterziehung hoch spezialisiert und erfahren. Der Partner Rechtsanwalt Dr. Frédéric Schneider ist zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht und wurde vom Handelsblatt als einer der besten Anwälte Deutschlands im Steuerstrafrecht ausgezeichnet.
Der Partner Rechtsanwalt Benedikt Mick hat als Fachanwalt für Strafrecht vor allem die Verteidigung im Strafverfahren im Blick. Seine Kompetenz liegt in der Strafverteidigung im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, dort meist zusammen mit einem Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht.
Vertrauen Sie deshalb nicht irgendeinem Anwalt, sondern vielmehr unserer Expertise.
Sofort-Kontakt und persönliche Ersteinschätzung
Sie haben eine Frage, die unbeantwortet geblieben ist? Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient nur der ersten Orientierung; ersetzt aber keine persönliche Beratung bei einem Rechtsanwalt. Deshalb erläutern wir Ihnen in einer unverbindlichen Ersteinschätzung gern Ihre Optionen. Rufen Sie uns unter Telefon 040 – 2286 2287 an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann beginnt Steuerhinterziehung?
Steuerhinterziehung beginnt bereits dann, wenn Sie steuerlich erhebliche Tatsachen nicht oder nicht vollständig mitteilen oder die Steuern zu spät, also erst nach Fälligkeit entrichten. Letzteres führt allerdings nicht sofort zu einem Verfahren, sondern lediglich zu Säumniszuschlägen.
Was sind typische Beispiele für Steuerhinterziehung?
Typische Beispiele für Steuerhinterziehung sind z.B., dass zusätzliche Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nicht beim Finanzamt angegeben werden. Das können viele eBay-Verkäufe sein, die schon als gewerblich einzustufen sind oder aus einer anderen selbstständigen Nebentätigkeit herrühren. Hierzu zählt natürlich auch, wenn diese nicht in voller Höhe angegeben werden.
Was ist die Festsetzungsfrist?
Die Festsetzungsfrist legt fest, nach wie vielen Jahren für ein Kalenderjahr keine Steuererklärungen mehr abgegeben, keine Steuerbescheide mehr erlassen oder in irgendeiner Weise geändert werden können. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist darf das Finanzamt keine Steuerbescheide mehr ändern oder neue erlassen. Die Festsetzungsfrist beträgt bei der Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei der Steuerverkürzung fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem Sie Ihre Steuererklärung oder Steueranmeldung eingereicht haben. Deshalb prüft die Steuerfahndung stets 10 Jahre rückwirkend.
Wann verjährt Steuerhinterziehung?
Zu unterscheiden ist zunächst die steuerliche und eine strafrechtliche Verjährungsfrist: Die Strafverfolgungsfrist regelt, wie lange man für eine Tat bestraft werden kann, bevor sie verjährt. Die „einfache“ Steuerhinterziehung verjährt nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die strafrechtliche Verjährungsfrist bei der besonders schweren Steuerhinterziehung wurde 2020 von 10 auf 15 Jahre erhöht. Diese Verjährungsfrist findet auf alle Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Nr. 1-6 AO) Anwendung. Gerade im unternehmerischen Bereich werden Beträge „in großem Ausmaß“ rasch erreicht. Die Frist beginnt, sobald Sie den Steuerbescheid mit der zu niedrigen (verkürzten) Steuer erhalten. Zu beachten ist jedoch die Festsetzungsfrist, solange der Steuerbescheid dann noch geändert werden könnte.
Wie hoch ist die Strafe bei Steuerhinterziehung?
Für Steuerhinterziehung droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, in schweren Fällen sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Dem Steuerschaden kommt bei der Strafzumessung maßgebliche Bedeutung zu. Ab 50.000 Euro Schaden durch Steuerhinterziehung soll keine Geldstrafe, ab einer Hinterziehung von 1 Mio. Euro keine Bewährungsstrafe mehr möglich sein.
- BGHSt 40, 109 [↩]