Cum-Cum: der nächste Skandal im Steuerstrafrecht?

Zuletzt wurde deutlich: Nach dem Ärger um die sog. Cum-Ex-Deals könnten Bankern auch strafrechtliche Konsequenzen wegen eines weiteren möglichen Steuerskandals drohen. Aktuell verdrängt die Diskussion um sog. Cum-Cum-Geschäfte im Steuerstrafrecht geradezu die bisher dominierenden Presseberichterstattungen zu Cum-Ex-Deals. Beide Formen des vermeintlichen Steuerbetrugs drehen sich um Aktiengeschäfte und erfolgen um den Dividendenstichtag herum. Bei den Cum-Cum-Geschäften handelt es sich um die Vermeidung von Kapitalertragssteuern für ausländische Aktionäre (sog. Steuerausländer).

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Die mediale Brisanz begründet sich vor allem damit, dass sich der finanzielle Schaden aller Cum-Cum-Geschäfte europaweit in noch unbezifferbarer Milliardenhöhe bewegen dürfte. Wird es dadurch zum Skandal?

In Frankreich erfolgten kürzlich bei mehreren Banken Razzien wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Wege von Cum-Cum-Geschäften. Die aktuellen Fälle umfassen Konstellationen, in denen die französischen Banken ausländischen Aktieninhabern geholfen haben sollen, die Kapitalertragssteuerpflicht in Frankreich zu umgehen.

Was sind sog. Cum-Cum Geschäfte?

Die Cum-Cum-Deals ranken sich wie auch die Cum-Ex-Geschäfte um die Kapitalertragssteuer. Cum-Cum-Geschäfte kennzeichnen sich dadurch, dass zur Vermeidung einer Steuerbelastung Aktien auf andere übertragen werden. Mitunter werden deshalb Cum-Cum-Geschäfte auch Dividendenstripping genannt.

Besonderheiten des Cum-Cum Geschäfts

Das besondere bei den Cum-Cum-Geschäften: Der Bundesfinanzhof hatte früher entsprechende Gestaltungen in mehreren Entscheidungen als rechtmäßig akzeptiert, die Finanzverwaltung diese geduldet. Cum-Cum-Geschäfte waren bankentypisch und weit verbreitet, also nicht ungewöhnlich. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2016 soll eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer bei solchen Geschäften nach dem Willen der Politik und der Verwaltung rückwirkend korrigiert werden. Die steuerrechtliche und strafrechtliche Aufarbeitung hat sich über die Jahre seit dem entwickelt.

In den Fällen, in denen die Erstattung der Kapitalertragssteuer nur zugunsten der eigenen Nationalität in einem Land rechtlich möglich ist, erfolgt – um die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer auch ausländischen Anlegern zu ermöglichen – ein Verleih der Aktien an eine inländische Bank um den Diviendenstichtag herum.

Wie gestalten sich Cum-Cum Geschäfte?

Wenn ein Steuerausländer Dividenden aus Deutschland bezieht, ist – ebenso wie beim Steuerinländer – Kapitalertragssteuer in Höhe von 25 % grundsätzlich einzubehalten. Aufgrund der zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird die für Steuerausländer einbehaltene Kapitalertragssteuer in vielen Fällen teilweise erstattet. In der Regel verbleibt jedoch eine Definitivsteuerbelastung des Steuerausländers in Höhe von 15 %, da Deutschland als Quellenstaat ein begrenztes Quellensteuerrecht eingeräumt wird.

Für die Entleihe an eine Bank wird in der Regel eine Gebühr fällig. Die Bank erhält sodann – anstelle des Aktionärs – die volle Dividende, die Kapitalertragssteuer wird zunächst beglichen. Sodann lässt sich die Bank die Kapitalertragssteuer – als inländische Anlegerin – vom Finanzamt zurück erstatten. Für die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer werden die Aktien ausländischer Anleger somit von Banken bei Fälligwerden der Steuer kurzzeitig übernommen. Nach dem Dividendenstichtag erfolgt die Rückübertragung der Aktie an den Aktionär, samt der anteiligen Dividende, ohne dass der Aktionär der Steuerpflicht unterlag und diese begleichen musste. Der Steuergewinn wird bei den sog. Cum-Cum-Geschäften dann zwischen Bank und Aktionär geteilt.

Beurteilung des Bundesministerium für Finanzen

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat zunächst eher Zurückhaltung bei der steuerrechtlichen und strafrechtlichen Bewertung der Cum-Cum-Geschäfte walten lassen. In einem Schreiben aus dem Juli 2021 hat nunmehr auch das BMF eine Bewertung der Cum-Cum-Deals nach der Abgabenordnung (AO) vorgenommen. Ergebe die Prüfung des § 39 AO, dass der Empfänger der Aktien auf Grundlage der Prüfung des § 39 AO das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat, sind die weiteren steuerlichen Folgen ebenfalls auf Grundlage des § 42 AO zu prüfen. Der Empfänger der Aktien aus einer Cum-Cum-Gestaltung sei dann nicht der steuerliche Anteilseigner nach § 20 Abs. 5 EStG. Er sei nicht zur Anrechnung oder Erstattung der auf die Dividendenzahlung abgeführten Kapitalertragssteuer befugt. Die auf die Dividendenzahlung abgeführte Steuer sei nicht auf die Steuerschuld des Empfängers der Aktien anzurechnen oder an den Empfänger zu erstatten. Wurde bei der Dividendenzahlung kein Kapitalertragssteuer-Abzug vorgenommen oder die einbehaltene Kapitalertragssteuer erstattet, sei diese nachzuzahlen.

Das BMF führt aus:

Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen. Abweichend müsse die Zuordnung des Wirtschaftsgutes gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erfolgen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über die Aktien ausübe. Bei Cum-Cum-Gestaltungen gehe zwar das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien vor dem Dividendenstichtag auf den Entleiher bzw. Erwerber über. Die Konstellationen bewirken aber, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien übergeht. Bei Cum-Cum-Gestaltungen erfolge kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum an den Wertpapieren üblicherweise verbunden wären.

Die Übertragung der Wertpapiere an den Empfänger sei nicht darauf angelegt, diesem die Erträge aus den übertragenen Wertpapieren in einem wirtschaftlichen Sinne zukommen zu lassen oder ihm die Möglichkeit zu eröffnen aus den Geschäften einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Bei Cum-Cum-Gestaltungen erhalte der Empfänger einen Anteil an der während seines zivilrechtlichen Eigentums ausgeschütteten Dividende als Entgelt für seine Mitwirkung an der Durchführung der Gestaltung.

Kann der Empfänger der Aktien während der Dauer der Cum-Cum-Gestaltung seine Rendite durch die Weiterverwendung der Aktien über den erhaltenen Anteil an der Cum-Cum- Gestaltung hinaus verbessern, schließe dies nicht die vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende wirtschaftliche Zuordnung beim Veräußerer aus.

Die nur kurzfristige Haltedauer der Aktien um den Dividendenstichtag sei laut BMF gerade ein Indiz für das Vorliegen eines Cum-Cum-Geschäftes, da diese Gestaltungen darauf angelegt seien, kurzfristig Aktien auf einen Empfänger zu übertragen, um die Belastung der Dividendenzahlung mit Kapitalertragssteuer zu vermeiden oder zu reduzieren.

Folgen des Cum-Cum Geschäfts

Bei Cum-Cum-Geschäften sei überdies zu prüfen, ob ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (Gestaltungsmissbrauch) im Sinne des § 42 Abs. 2 AO vorliegt. Bei Cum-Cum-Geschäften bestehe der eigentliche Zweck in der Vermeidung der Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer auf Dividendenausschüttungen. Die Umgehung der Definitivbelastung ist missbräuchlich und führt laut BMF zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. Als Rechtsfolge sei der vorliegende Sachverhalt so zu beurteilen, als ob eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre. Der Besteuerung ist ein fiktiver den wirtschaftlichen Vorgängen angemessener Sachverhalt zugrunde zu legen und nicht der tatsächlich realisierte Sachverhalt. Dabei sind insbesondere diejenigen steuerlichen Folgen zugrunde zu legen, die mit der konkret gewählten Gestaltung umgangen werden sollten. In diesem Fall wären Dividendeneinkünfte dem wirtschaftlichen Eigentümer der Aktien zugerechnet worden. Die Kapitalertragsteuer wäre für Rechnung des steuerlichen Anteilseigners einbehalten worden und nicht für Rechnung des Empfängers der Aktien. Dem Empfänger der Aktien ist die Geltendmachung der mit der Gestaltung zusammenhängenden Aufwendungen, insbesondere aus der Nichtanrechnung bzw. Rückforderung der Kapitalertragsteuer, zu versagen.

Verfolgungsrisiken – Dauer und Umfang der Verfahren

Es dürfte sich – aufgrund der Konstellationen – vor allem um europäische Großverfahren handeln, die die Ermittler noch lange beschäftigen werden. Bei den Razzien im März diesen Jahres waren sowohl französische als auch deutsche Ermittler beteiligt, zeitgleich wurden fünf Großbanken durchsucht. In Deutschland hat die bei den Cum-Ex-Geschäften federführend ermittelnde Staatsanwaltschaft Köln nunmehr mitgeteilt, dass sie sich gleichermaßen mit den sog. Cum-Cum-Deals wie mit den Cum-Ex-Komplexen befasst. Ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft erklärte, die Behörde analysiere in „mehr als 115“ Verfahrenskomplexen Cum-Ex- und Cum-Cum-Deals; sie ermittle seit Jahren nicht nur wegen Cum-Ex-Konstellationen, sondern auch wegen artverwandter Steuerhinterziehungsstrategien.

Gleichwohl der Steuerschaden von Cum-Cum-Geschäften deutlich höher als bei Cum-Ex-Geschäften geschätzt wird, bleibt die strafrechtliche Aufarbeitung von Cum-Cum-Geschäften aktuell noch hinter jenen zurück. Dies dürfte vor allem am Umfang der Ermittlungen liegen.

Die Auswirkungen dieser Ermittlungen und Bewertungen sind sowohl strafrechtlicher als auch finanzieller Natur. Eine rückwirkende Versagung der Anrechnungsbefugnis dürfte für die betroffenen Banken vor allem bilanzielle Konsequenzen haben, indem Erstattungsansprüche zu berichtigen bzw. Rückstellungen wegen drohender Rückzahlungen zu bilden wären. Die Betroffenen können Meldepflichten unterliegen oder aufsichtsrechtlichen Maßnahmen unterworfen werden. Es liegt auf der Hand, dass all dies starke Konsequenzen für die Institute haben kann und auch die Frage nach der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der handelnden Vorstände und Aufsichtsräte gestellt werden wird.