Insolvenzverschleppung und Insolvenzantragspflicht

Die Insolvenzverschleppung ist die häufigste Straftat im Insolvenzstrafrecht.

Als Insolvenzverschleppung bezeichnet man die verspätete Stellung eines Insolvenzantrags. Ob und wann dieser Insolvenzantrag zu stellen ist, bestimmen die §§ 17, 19 InsO (Insolvenzordnung), somit das einfache Insolvenzrecht. Demzufolge ist die Insolvenzverschleppung auch nicht im Strafgesetzbuch, sondern in § 15a InsO geregelt:

Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans (…) ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.

Antragspflicht in der Insolvenz oder Krise

Die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen, trifft im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nur juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, nicht jedoch Privatpersonen, Einzelunternehmungen oder freiberuflich Tätige.

Die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO gilt u.a. für folgende Gesellschaften:

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)
  • Kommanditgesellschaften (KG)
  • Offene Handelsgesellschaften (oHG)
  • Aktiengesellschaften (AG)
  • Ausländische Gesellschaften, etwa Ltd. mit Geschäftsinteressen in Deutschland
  • ferner: Stiftungen und Vereine

Die Insolvenzverschleppung hat dabei eine strafrechtliche und eine haftungsrechtliche Dimension: Neben der Strafbarkeit muss das verantwortliche Organ der Gesellschaft (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) damit rechnen, im Falle einer Insolvenz persönlich in Haftung genommen zu werden (vgl. § 64 GmbHG, § 130a HGB, §§ 92, 93 AktG). Oftmals dürfte die persönliche Haftung im Falle einer Insolvenz die eigentliche Strafe sein, da die strafrechtliche Sanktion für gewöhnlich nicht so beträchtlich ins Gewicht fällt.

Strafbar ist die Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO dann, wenn der Verpflichtete in einer Krise den Eröffnungsantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig stellt.

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Frist für die Insolvenzantragsstellung

Strafbar macht sich, wer den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig stellt. Der Antrag muss gemäß § 15a Abs. 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Zu beachten ist hierbei, dass es allein auf die objektive Lage ankommt: Fehlende Kenntnis der handlungspflichtigen Personen (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) von der Insolvenzlage spielen zunächst keine Rolle.

Zwar spricht das Gesetz den handlungspflichtigen Personen einen gewissen Ermessenspielraum bezüglich des Zeitpunkts zu, dieser endet jedoch spätestens 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Grundsätzlich gilt aber, dass der Antrag unverzüglich gestellt werden muss, die gesetzliche Höchstfrist darf nur in Ausnahmefällen komplett ausgeschöpft werden, z.B. bei erfolgsversprechenden Sanierungsversuchen.

Richtige Antragstellung

Des Weiteren muss der Insolvenzantrag gemäß § 15a Abs. 4 Nr. 2 InsO „richtig“ gestellt werden, um eine Strafbarkeit zu vermeiden. Ein unrichtiger Antrag liegt vor allem dann vor, wenn er unrichtige oder unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist der Antrag ferner, wenn die Formvorschriften des § 13 Abs. 1 InsO nicht eingehalten werden. Der Antrag muss das Gericht inhaltlich in die Lage versetzen, das Vorliegen der Insolvenzgründe entsprechend prüfen zu können.

Aufdeckungswahrscheinlichkeit der Insolvenzverschleppung

Die Entdeckungsrisiko der Insolvenzverschleppung ist außerordentlich hoch, da jedes Insolvenzgericht alle Akten der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorlegt. Bei der Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, weil sie den Anfangsverdacht einer Straftat im Insolvenzstrafrecht bejaht – in den meisten Fällen wegen Insolvenzverschleppung.

Natürlich wird die Insolvenzverschleppung nur entdeckt, wenn tatsächlich die Zahlungsunfähigkeit und damit die Insolvenz eintritt. Gelingt es dagegen, die Krise abzuwenden, bleibt auch die Insolvenzverschleppung unentdeckt.

Strafe für Insolvenzverschleppung

Die Insolvenzverschleppung ist als Vergehen nach § 15a InsO mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Maßgeblich für die Strafzumessung ist die Höhe des verursachten Schadens. Eine Gefängnisstrafe ist allerdings eher unwahrscheinlich, da eine Freiheitsstrafe bei einem Ersttäter mit positiver Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt werden kann, jedenfalls dann, wenn der Schaden nicht besonders hoch ist. Die Strafe bleibt meist eher im unteren Bereich des Strafrahmens.

Weitaus problematischer sind bei der Insolvenzverschleppung jedoch die Nebenfolgen: So besteht für den/die Geschäftsführer einer GmbH die Gefahr einer persönlichen zivilrechtlichen Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit sowie bei Überschuldung des Unternehmens. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG kann eine Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat auch einer zukünftigen Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer entgegenstehen. Gewerbetreibenden droht deshalb ferner der Entzug der Gewerbezulassung, da die Nichtanzeige einer Insolvenz als Unzuverlässigkeit gilt (vgl. § 35 GewO).

Wer einer Antragspflicht lediglich fahrlässig nicht nachkommt, wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. Durch eine gute Strafverteidigung wird die Frage der Fahrlässigkeit dieser Insolvenzstraftat argumentativ zu erörtern sein. In eher komplizierten Fallkonstellationen kann ein Fachanwalt für Insolvenzrecht hinzugezogen werden, vor allem dann, wenn ein Gutachten zur Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Kommt dieses Gutachten zu einer erkennbaren Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Unternehmens, bedarf es kompetenter Unterstützung durch einen Fachanwalt nicht nur für Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, sondern auch einen Anwalt im Insolvenzrecht. Es bedarf dann einer gründlichen Prüfung, ob der Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in seinem Unternehmen erkennen musste und infolgedessen einen Insolvenzantrag für das Unternehmen stellen musste.

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